Sich im Unendlichen kreuzende Parallelen

Florian Neufeldt &
Matthias Ströckel

Kunsthalle Düsseldorf

9. März – 28. April 2012

Kunsthalle Düsseldorf

Grabbeplatz 4
D-40213 Düsseldorf

Florian Neufeldt & Matthias Ströckel
Sich im Unendlichen kreuzende Parallelen

Die Werke von Florian Neufeldt und Matthias Ströckel zeugen von dem Verlangen des Menschen, die Dinge um sich herum durch unterschiedliche Strategien der Vermessung zu hinterfragen und zu verstehen. Dabei wird die Wahrnehmung selbst zur Disposition gestellt und die Konstruktion von Wirklichkeit zum Thema des jeweiligen Werks. Das im Titel der Ausstellung aufgegriffene Postulat geht auf den antiken griechischen Mathematiker Euklid zurück und dient uns als schwer fassbares und dennoch faszinierendes Bild, das „nur“ im Kopf funktioniert. Einerseits erzeugt es Unverständnis, andererseits regt es zum Nach- und Weiterdenken an, indem es uns auf unsere Grenzen (der Vermessung) verweist und gleichzeitig einen (Denk-)Raum öffnet, der jenseits des Wirklichen liegt und neue Ordnungen zulässt. Hier knüpft die Doppelausstellung mit den Künstlern Florian Neufeldt und Matthias Ströckel an. Florian Neufeldt hat den Ausstellungsraum vermessen, indem er für den Seitenlichtsaal eine neue Arbeit mit dem Titel Die Welt durch eine Wand begreifen entwickelt hat, in der eine Bohrmaschine hinter einer Wand entlangfährt, diese vermisst und in unregelmäßigen Abständen durchlöchert. Da die Spitze des Bohrers immer nur so kurz auftaucht, dass sie sich meist dem Blick des Betrachters entzieht, bleiben allein das Geräusch, das Loch und die Schatten, die der Betrachter hinter den willkürlich in die Wand gebohrten Löchern erkennen kann. Das Nicht-Wissen von dem „Dahinter“ irritiert, macht neugierig und erzeugt einen Vorstellungsraum hinter der sich stetig wandelnden, löcherigen Bildfläche. Der Raum wird durch den Bohrer mit Lärm gefüllt und verkörpert zunächst und je nach Assoziation etwas Mysteriöses, Wesenhaftes. Gleichzeitig erzeugt der Rhythmus der technischen Wiederholung eine Wiedererkennung und Vertrautheit in Bezug auf das uneindeutige „Störgeräusch“. Mit der voranschreitenden Ausstellung werden mehr Löcher mehr Raum hinter der Wand freigeben, sodass die eigentliche Konstruktion und das „Dahinter“ immer weiter dekonstruiert werden und den Fokus auf das Schaffen selbst lenken. Mit Objekten wie Treppe (2011) kehrt Neufeldt gewöhnliche Anordnungen um und führt herkömmliche Sichtweisen ad absurdum, wenn er mit dem Wissen von der Herkunft und alltäglichen Funktion der Dinge spielt und damit gleichzeitig auf ironische, leichte Weise bricht. Für Treppe hat er die Holzstufen einer Treppe so miteinander verkeilt und mit Beton ausgegossen, dass die ursprüngliche Treppe nicht mehr begehbar ist und trotzdem erkennbar bleibt. Sie wird hier zum Stolperstein und markiert den Übergang vom einen Raum zum nächsten. Matthias Ströckels konzeptuell ausgerichteten Objekte, Fotografien, Drucke und Zeichnungen kreisen um Vermessungsstrategien von Welt, indem sie diese verbildlichen und dabei gleichzeitig deren Sinn und Zweck in Frage stellen. Sie gewinnen ihren Reiz durch eine minimale künstlerische Setzung, bei der Ströckel die Rolle eines Künstler-Wissenschaftlers einzunehmen scheint. Dabei bedient er sich philosophischer und kunstwissenschaftlicher Theorien und hinterfragt die Grenzen von wissenschaftlicher Genauigkeit und individueller Wahrnehmung, ohne das ästhetische Potential – die Aura – des einzelnen Objekts zu vergessen oder didaktisch zu werden. In den feinen Tintezeichnungen Weg/Zeit (2011-2012), mit denen Ströckel die Zeitspanne einer Zeichenlinie auf einem Bogen Papier festhält, sowie in den drei unbetitelten Fotografien (2012), auf denen eine Kerze durch die Hitze ihrer Flamme einen Spiegel zum Zerborsten bringt, dokumentiert er Zeit per se. Mit dem Wachsobjekt Referenzrahmen (2011) und den unvorhersehbaren Materialveränderungen innerhalb eines festgesetzten, zeitlichen Prozesses (der Ausstellungsdauer) führt er Zeit als unmittelbares physikalisches Erlebnis im Ausstellungsraum vor. So thematisiert Ströckel die menschliche Wahrnehmung und das Beobachten sowie Festschreiben von Raum und Zeit. Dabei bedient er sich kartographischer Systeme, wie in Weltenkarte (2011), die er von ihrem Inhalt – der Welt – löst; oder hinterfragt die Rhythmisierung von Zeit, wie in der Arbeit Spezifische Toleranz (2012), indem er zwei Metronom-Zeiger so miteinander verbindet, das sie scheinbar im Gleichtakt schwingen. Auch wenn die Herangehensweise und künstlerische Umsetzung beider Künstler auf den ersten Blick sehr unterschiedlich wirkt, ist die Gegenüberstellung und Überlagerung der Arbeiten spannend und offenbart Gemeinsames: das Spiel mit Uneindeutigkeiten und Leerstellen, auf die der Betrachter seine eigene Projektion werfen kann. So wird im besten Fall ein Assoziationsraum freigesetzt, der die Welt in all ihrer Dichte und Unordnung geordnet, vermessen, vielleicht sogar klar und deutlich erscheinen lässt.

Publikation

Zur Ausstellung ist in enger Zusammenarbeit mit den Künstlern eine Publikation im Verlag der Buchhandlung Walther König entstanden, die für 4 Euro im Buchhandel und an der Kasse in der Kunsthalle erworben werden kann. Zudem haben beide Künstler für die Ausstellung eine Edition entworfen, die ebenfalls in der Kunsthalle erhältlich ist.

Künstlergespräch & Ausstellungsrundgang

Dienstag, 12. März 2013, 17 – 20 Uhr

Gespräch zu den Ausstellungen „Sich im Unendlichen kreuzende Parallelen“ (Kunsthalle Seitenlichtsaal) und „Über die Unbeobachtbarkeit der Welt“ (Weltkunstzimmer in der Hans Peter Zimmer Stiftung) 17 Uhr: Ausstellungsrundgang durch Kunsthalle seitenlichtsaal mit den Künstlern und Kuratoren beider Ausstellungen 18 Uhr: Imbiss und Rundgang durch das Weltkunstzimmer der Hans Peter Zimmer Stiftung 18.30 Uhr: Künstlergespräch (Falk Wolf und Kathrin Barutzki im Gespräch mit Paul Czerlitzki, Flora Hitzing, Stefan Löffelhardt, Florian Neufeldt und Matthias Ströckel)

Kuratorin

Kathrin Barutzki

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