Text von Ellen Wagner, veröffentlicht anlässlich der Ausstellung "Zeichen und Wunder II" im Kunsthaus Nuernberg, © 2015 Kunsthaus Nuernberg / Ellen Wagner
Andauernd(e) Linien
Dauer ist das, was seine Natur ändert (Henri Bergson)
Ausgefranste Nähte zwischen Bild und Träger, scheinbar desorientiert um sich selbst und ins Nichts trudelnde Bewegungsspuren, Ansichten strohalmartig geknickter Windräder, die wie abgestürzte Schwäne mit gebrochenen Hälsen und gestutzten Flügeln niedergestreckt auf freiem Feld liegen, mit angegrautem Stahlgefieder, in einer wie von Nebeln verschleierten durchpixelten Landschaft.
Matthias Ströckels Zeichnungen spielen mit der Linearität, um sie dazu zu bringen, sich selbst zu brechen. So zeigen die Blätter der Serie Weg/ Zeit (ab 2011) keine bloßen Striche, sondern eher langgezogene Flächen, mehr noch gezeichnete Räume, die beständig zwischen den verschiedenen in ihnen angelegten Dimensionalitäten oszillieren. Mit schwarzer Tinte zieht Ströckel über mehrere Stunden hinweg Spuren auf Papier – von der einen Seite zur anderen Seite. Das von den Maßen des Blattes vorgegebene Intervall bleibt dabei, sieht man von minimalen Abweichungen beim An- und Absetzen der Hand ab, gleich – was sich ändert, sind die kaum wahrnehmbare Geschwindigkeit der Bewegung und die subjektive Empfindung des verstreichenden Zeitraums, die sich mit der Tinte unerbittlich in die Papierfasern saugt und alles andere als eine ‚oberflächlich’ quantitative Messung der Stunden, Minuten und Sekunden leistet.
Matthias Ströckels Linienzeichnungen sind keine strikten Messungen. Vielmehr gehen sie dem Nicht-ganz Vorhersehbaren in jedem einzelnen Moment ihrer Entstehung nach – sei es ein Zittern der Hand, das die Spuren in Weg/ Zeit als Darstellungen kurz vor dem Zerreißen befindlicher Schnüre erscheinen lässt, oder die Eigenwilligkeit eines, versehen mit einer Bleistiftspitze, über das Blatt gejagten Kreisels, der sich seinen Weg über das ihm zugestandene Format – und über dieses hinaus – nach eigenen, nicht einsehbaren Kriterien bahnt (Binärsystem, 2013). Zwar können Anfangs- und Endpunkte der Kreiselbewegungen durch einen verbindenden Vektor in eine vorgeblich klare Richtungsbeziehung gebracht werden, die Komplexität des tatsächlich von dem Kreisel zurückgelegten Weges aber ist als bildgewordene nur schwer analysierend zerlegbar.
Als genauso „durch Zufall entstandene Skulpturen“ bezeichnet Ströckel die zusammengefallenen Windräder (2014), deren im Internet gefundene Abbildungen er in Zeitlosigkeit andeutende Graustufen konvertiert hat. Die riesigen Zeugen einer – vergangenen oder noch zu erwartenden? – Energiewende fungieren ebenfalls als Spuren von Bewegungen, die ihr vordergründiges Ziel in einem alles andere als reibungslosen ‚Betriebsablauf’ verfehlen: Sie erzählen vom Willen, ‚etwas zu bewegen’ in Politik und Gesellschaft, von der Bewegung ihrer Rotorblätter durch die enorme, letztlich übermächtige Kraft des Windes sowie von ihrem Sturz in die Tiefe, der sie umso mehr als ‚ikarische’ Opfer und im romantisierenden oder modernistischen Sinne „gescheiterte Hoffnung“ erscheinen lässt, als sie sich in unschuldig-reinem Weiß von der schwarz-gräulichen Umgebung abheben und die Grenze bzw. Kontur zwischen Himmel und Erde fast affirmierend nachzeichnen.
Die beabsichtigte Intensivierung der Naturkraft zu dem Zweck ihrer ökonomischen Nutzbarmachung hat sich in ihr Gegenteil verkehrt, doch erschöpft als Energielieferant im buchstäblichen Sinne liefert das Windkraftwerk nun den Ausgangsstoff für eine zeichnerische Transformation, in deren Verlauf die Verpixelung des digitalen Bildmaterials an Stelle des künstlerischen Duktus tritt. Sie zieht die lädierten Generatoren ein weiteres Mal in Mitleidenschaft, doch die Verausgabung des Motivs, wie die der zerstört sich beugenden Technik, verläuft zwar ins Nutzlose, nicht aber ins Leere: „In jedem System kommt der Punkt, an dem die überschüssige Energie nicht mehr dem Wachstum zugeführt werden kann und entsprechend unproduktiv [...] vergeudet werden muß“ – in seiner Antiökonomie prophezeit Georges Bataille dem als unaufhörlich vorgestellten wirtschaftlichen Wachstum ein zwangsläufiges Ende, das nicht in der Knappheit der Ressourcen begründet liege, sondern im Mangel an Möglichkeiten zur Verschwendung unweigerlicher Überproduktion – die als Prinzip die Ökonomie wie auch die Natur beherrsche; nur durch ‚Selbstverschwendung’, in der das der Natur fremde Subjekt sich selbst ebenso fremd werde, sich ebenso verschwende wie die Natur, könne der Mensch eine Souveränität jenseits aller Subjekt-Objekt-Kategorien erlangen [1] Die vom Menschen geschaffenen, von der Natur zerstörten Windräder, die in funktionierendem Zustand eine Vermittlung zwischen Natur, Kultur und Technik leisten, entziehen sich als Motiv Ströckels Serie ihrer eigenen Nützlichkeit. Und doch erscheint die katastrophische Entladung des energetischen Zuviels zunächst gezähmt in der Form gerahmter Miniaturansichten. Auf den ersten Blick scheint die rational registrierende Weltsicht den Kampf gegen die Windmühlen der Imagination gewonnen zu haben. Auf den zweiten jedoch bieten die eingestürzten Windräder umso mehr Raum für Assoziationen. Die Funktion der unbesiegbaren – da gar nicht erst kämpfenden, schon gar nicht feindlich gesinnten – Windmühlen findet sich in der Windkraft als Vertreterin der Natur selbst, die die Windräder fällt, um ihre eindrückliche Präsenz nur weiter zu steigern. Wie Götz Pochat in Caspar David Friedrichs Hoffnung im Eismeer kann man in Ströckels Serie Momente erkennen, in denen sich „in der Präsenz des Augenblicks die Katastrophe noch vollzieht“, [2] ohne dabei das Vergangene und Künftige aus dem Bild zu verdrängen. In einem einzigen Moment des Betrachtens erscheint das Bild, das in seiner Gleichzeitigkeit und Einansichtigkeit jede Sukzession des Dargestellten in den Eindruck eines simultanen Ineinanderspielens überführt, wie Max Imdahl betont, als ein zwangsläufig stets in einer Dauer, einem unüberschaubaren, nicht zu versprachlichendes Geflecht qualitativer Verstrickungen nach Henri Bergson, erfahrenes. Als ein kontinuierlich in seiner Natur sich Veränderndes, Dauerndes, kann auch die gezeichnete Linie als das sich selbst fremd Werdende auftreten. Sich immer wieder selbst verschwendend im Unterlaufen der Erwartungen, die man an ihre Beschaffenheit heranträgt – vor allem Linearität und den Schein virtuoser Leichtigkeit –, ist die Zeichnung auch bei Matthias Ströckel das sich in verschiedenen künstlerischen Medien permanent Umformulierende, das sich, mühsam oder wendig, beharrlich selbst konturiert, während es unterschiedliche Motive, Betrachter und Erfahrungshorizonte umkreist.
Ellen Wagner
[1] Gerd Bergfleth: Theorie der Verschwendung. Eine Einführung in Georges Batailles Antiökonomie.
[2] Götz Pochat: Erlebniszeit und Bildende Kunst. In: Christian W. Thomsen/ Hans Holländer (Hgg.): Augenblick und Zeitpunkt. Darmstadt 1984, S. 22-46, hier S. 25.
Matthias Ströckel
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